Kritiker bemängeln, dem modernen Menschen sei das Bild von
Hirten und Herden nicht mehr verständlich - und auch nicht mehr
zumutbar. Aber der moderne Mensch braucht immer noch einen Raum zum
Leben. Gibt es dafür ein schöneres, treffenderes Bild als -
eine Weide?
Die vielleicht schönste Seite des heutigen
Evangeliums klingt da an, wo Jesus uns das Vertrauen ausspricht:
„Meine Schafe hören auf meine Stimme; ich kenne sie, und
sie folgen mir."
Wer auf Jesus hört, ist kein dummes
Schaf! Ihm geht die Welt neu auf! Menschen in ihrer Vielfalt und
Widersprüchlichkeit werden von ihm angenommen - und geliebt.
Wenn wir ihm folgen, entdecken wir einen Lebensraum, in dem wir mit
anderen Menschen Glauben und Vertrauen teilen. Im Evangelium wird
nicht erzählt, dass dieser Lebensraum durch hohe Mauern und
dicht gezogenen Stacheldraht abgeschottet wäre ... der gute
Hirte führt nicht an die Grenzen, er führt ins Weite.
Auf
seine Stimme möchte ich hören! Unter den vielen Stimmen,
die tagein, tagaus auf mich einstürmen und einreden, ist seine
nicht die lauteste, aber ich verstehe, worauf ich mich verlassen,
wohin ich gehen kann. In seiner Welt hat die Liebe das letzte Wort.
Der Sonntag vom guten Hirten ist eine einzigartige Einladung,
Jesus auf seinem Weg zu folgen. Er räumt uns so viel Platz ein,
dass uns um unsere Freiheit nicht bange sein muss. Wir können
sie mit dem größten Geschenk füllen, das er uns
gemacht hat: mit Liebe.
Manfred Wussow (www.predigtforum.at )